Im Bereich der Naturwissenschaften sind bestimmte sozial kategorisierte Gruppen unterrepräsentiert. Anhand einer explorativen Diskursanalyse des Migrationsdiskurses in der deutschsprachigen physikdidaktischen Forschung zeige ich, dass diese Bildungsdisparitäten vorrangig aus der Verwertbarkeitsperspektive im Sinne einer Erschließung von Humanressourcen beforscht werden. Als Alternative schlage ich den Ansatz der Menschenrechte vor, argumentiere die Gültigkeit des Rechts auf Bildung gleichermaßen auch für naturwissenschaftliche Bildung und adaptiere jene Strukturmerkmale, durch welche der Zugang zum Recht auf Bildung charakterisiert ist, auch für die naturwissenschaftliche Bildung. Mit Rekurs auf den Analyseansatz der Intersektionalität konzeptualisiere ich ein Drei-Faktoren-Modell des Zugangs zu naturwissenschaftlicher Bildung. Diese durch Nicht-Diskriminierung und eine machtkritisch-reflexive Haltung charakterisierte Perspektive bezeichne ich als Reflexive Physikdidaktik. Da der Faktor Sprache auf unterschiedlichen Ebenen diskriminierend wirksam werden kann, modelliere ich in Anlehnung an die Critical Language Awareness die Kritische Sprachbewusstheit von Lehrenden im Kontext von Fachunterricht, welche insbesondere durch eine ausdifferenzierte Ebene der Machtbewusstheit charakterisiert ist. Damit soll den unterschiedlichen fachlichen und sprachlichen Dimensionen von Macht Rechnung getragen werden.

Die Anwendung der reflexiven Perspektive auf die Praxis illustriere ich für die Bereiche Lehrer_innenausbildung, Unterrichtspraxis, Bildungsstandards und Förderprojekte. Mit dem Prinzip Seitenwechsel stelle ich einen Ansatz vor, mit welchem die Kritische Sprachbewusstheit von Lehrenden aktiviert werden kann. Aus der Exploration zum Prinzip Seitenwechsel entwickle ich ein Instrument zur systematischen Analyse von Sprachhandlungen, das Konkretisierungsraster. Ich zeige damit eine Möglichkeit auf, wie jene mit den fachlichen Standards verbundenen sprachlichen Lernziele transparent und einer Reflexion zugänglich gemacht werden können. In einer Exploration zeige ich, dass sich jene mit Hilfe des Rasters identifizierten lexikalischen Mittel unterstützend auf die Sprachhandlungsfähigkeit der Schüler_innen auswirken können, was im Sinne des Rechts auf Bildung als Ermächtigung verstanden werden kann. Abschließend wird illustriert, wie die reflexive Perspektive in der Durchführung von Projekten Berücksichtigung finden kann.